PSI erklärt
PSI bedeutet Persönlichkeits-System-Interaktion beziehungsweise Personality Systems Interaction.
Die PSI-Theorie wurde von Prof. Dr. Julius Kuhl als Meta-Theorie begründet, die vielfältige valide Ergebnisse aus der experimentellen Psychologie integriert (Kuhl, 2001) und durch die Erkenntnisse der modernen Neuropsychologie bestätigt wurde.
PSI eröffnet eine zusätzliche funktionsanalytische Perspektive (neben der persönlichen, empathischen), die unabhängig von den Inhalten des subjektiven Erlebens auf die Funktionen und Interaktionen der neuropsychischen Systeme blickt.
Funktionsanalyse bedeutet zu verstehen, wie die verschiedenen persönlichen Systeme mit den ihnen verbundenen Affekten und kognitiven Prozessen wechselseitig zusammenwirken. Aus diesem Verständnis lassen sich zusätzliche kreative Ideen für einen nachhaltigen Veränderungs- und Entwicklungsprozess ableiten. Diese Funktionen sind sogar bedeutsamer für den Änderungsprozess als störungsorientierte Diagnosen, denn Entwicklungsblockaden oder Störungen können vielfältige funktionelle Ursachen haben.
Einen guten Überblick über die unterschiedlichen Anwendungsfelder bietet Baumann et. al. (2017) „Why people do the things they do: Building on Julius Kuhl`s Contribution to Motivation and Volition Psychology“ Göttingen: Hogrefe. Abgehandelt werden die Bereiche Sportcoaching, Pädagogik, Bildung, Therapie, Beratung und Training und Personalführung.
PSI und Persönlichkeitspsychologie
Seit es die Psychologie als Wissenschaft gibt, haben sich viele Ansätze der Persönlichkeitspsychologie entwickelt, die vornehmlich aus dem Bereich der Psychotherapie entstanden sind. Sehr häufig bildet eine bestimmte Persönlichkeitstheorie ein ganz bestimmtes Menschenbild ab, z.B. das behavioristische, das kognitivistische, das psychoanalytische usw. Diese Menschenbilder beinhalten implizite Werthaltungen sowie Annahmen darüber, wie Entwicklungsprozesse unterstützt werden können, wie Veränderungsprozesse sich vollziehen und wie sich eine individuelle Persönlichkeit oder persönliche Unterschiede herausbilden.
Sehr häufig widersprechen sich diese Menschenbilder wechselseitig in ihren Grundannahmen, so dass sie für die Komplexität des Alltags unbrauchbar erscheinen. Prof. Dr. Julius Kuhl (2001) entwickelte eine Meta-Theorie der Persönlichkeit, die viele widersprüchliche Theorien integriert, die sich darüber hinaus mit modernen neuropsychologischen Erkenntnissen sowie Erkenntnissen der modernen Persönlichkeitspsychologie vereinbaren lässt und zu guter Letzt auch noch sehr gut auf die Praxis anwendbar ist. Denn wie schon Lewin (1935) bemerkte, ist nichts praktischer als eine gute Theorie.
Bei der PSI-Theorie, der Persönlichkeits-Systeme-Interaktions-Theorie, geht es um die Nutzung einer funktionsanalytischen Perspektive auf die Persönlichkeit. Funktionsanalyse bedeutet zu verstehen, dass eine bestimmte Befindlichkeit einer Person nicht nur auf Inhalten (z.B. Erlebnisinhalten einer Erkrankung) beruht, sondern ebenfalls auf der Art und Weise, wie bestimmte Systeme innerhalb einer Persönlichkeit miteinander agieren und zusammenwirken.
Persönlichkeitsarchitektur in der PSI-Theorie
Cervone et al. (2004, 2006) postulieren, dass Theorien, die auf einer Persönlichkeitsarchitektur beruhen, einen integrativen theoretischen Rahmen für die Selbstmanagement-Forschung liefern können. Räumliche Modelle sind gute Metaphern, um sich komplexe Zusammenhänge und Dynamiken vorzustellen. Die PSI-Theorie bedient sich dieser räumlichen Metapher der Persönlichkeitsarchitektur, eines hierarchisch gegliederten Modells, welches die Persönlichkeit mit ihren verschiedenen Systemen auf sieben Ebenen abbildet.
Abb.1: Persönlichkeitsarchitektur nach der PSI-Theorie. Legende: OES: Objekterkennungssystem; IVS: Intuitives Verhaltenssystem; IG: Intentionsgedächtnis; EG: Erfahrungsgedächtnis, Extensionsgedächtnis
In dieser Persönlichkeitsarchitektur kommt es weniger auf die einzelnen, voneinander unterscheidbaren Ebenen und Systeme an, sondern auf ihre je eigene Dynamik und ihr flexibles Zusammenspiel. Personen unterscheiden sich danach hinsichtlich der Funktionsweise der Systeme, sie können das Zusammenspiel bestimmter Systeme bevorzugen oder vernachlässigen. Der Vorteil dieses Modells besteht darin, dass auch Personen, die keine Persönlichkeitspsychologen sind, seine Grundzüge verstehen und anwenden können, ohne dazu in die Tiefen der wissenschaftlichen Psychologie vordringen zu müssen.
Wir betrachten ein topologisches Modell, welches von den einfachen (unten in der Hierarchie dargestellten) zu komplexen Systemen (oben in der Hierarchie abgebildet) führt und eine phylo- und ontogenetische Entwicklungslinie beschreibt, die auf der höchsten und zugleich komplexesten Stufe zu mehr Freiheit und Selbstbestimmung führt. Die Selbststeuerung, die sich auf der 7. Ebene des Modells befindet, ist eine Errungenschaft des Menschen, die eng von der Herausbildung des präfrontalen Cortex abhängt. Selbststeuerungskompetenzen sind wichtige protektive Faktoren, die in den Gesundheitswissenschaften der verschiedenen Disziplinen, z.B. Pflegewissenschaft, Medizin und Psychologie, eine zentrale Rolle spielen, da sie genau jene Kompetenzen sind, die Risikofaktoren minimieren können und nachweislich zu einer schnelleren Gesundung, zu mehr Lebensqualität und einem besseren Wohlbefinden führen (Ritz-Schulte, 2011; Ritz-Schulte & Huckebrink, 2011).
Die vier Makrosysteme der Persönlichkeit befinden sich sowohl auf der elementaren Ebene als auch auf der sechsten Ebene. Wir erkennen zwei elementare Systeme und zwei intelligente Systeme, die einerseits miteinander interagieren und andererseits antagonistisch verschaltet sind.